Hospitationsbericht von Ute Eschweiler
Hospitation bei „Dog´s Touch“ in der Lebenshilfe in Neuss am Mittwoch, 22.10.2014, 17.00 bis 19.00 Uhr.
(Hunde-Schnupper-Kurs, findet statt 1x im Monat im Rahmen des Freizeitangebotes der Lebenshilfe Neuss, 4 Termine pro Halbjahr)
Bericht von Ute Eschweiler.
Einführungsgespräch:
Wir, Frau Schmitz-Philipp mit ihrem Hund „Luna“, Frau Taut und ihre Hunde „Bam-Bam“ und „Erdmann“ und ich, Ute Eschweiler, treffen uns im Gebäude der Lebenshilfe/Neuss um einander etwas näher kennenzulernen und den Raum für die Einheit vorzubereiten. Ich erfahre (unter anderem), dass bei beiden Hundeführerinnen die beruflichen Wurzeln im pädagogischen Bereich liegen und wie lange sie schon im Team zusammen arbeiten. Außerdem informiere ich sie über meinen derzeitigen Ausbildungsstand im „Therapiehunde-Team“, erzähle ein wenig über meinen Hund und über meine Visionen meiner hundegestützten Arbeit nach Beendigung der Ausbildung.
Vorbereitung/Ankunft:
Es wird ein Stuhlkreis gestellt, verschiedene Arbeitsmaterialien werden auf die Tische verteilt und ein Tafelbild von einem Hund wird aufgehängt. Die drei Therapiehunde liegen angeleint auf ihren Decken oder bewegen sich frei durch den Raum. Frau Taut und Frau Schmitz-Philipp arbeiten heute zum dritten Mal mit dieser Gruppe. Dazu gehören sieben Kinder im Alter von 11 bis 14 Jahren mit unterschiedlichen geistigen Behinderungen, außerdem ein 21-jähriger junger Mann mit Trisomie 21. Ein Kind wurde für heute abgemeldet. Es sind einige Kinder darunter, die mehr oder weniger große Angst vor Hunden haben. Die Mütter bringen ihre Kinder in den Raum und verabschieden sich dann. Jedes Kind begrüßt die Therapeutinnen und anschließend die Hunde, wer mag, gibt allen Hunden oder einem Hund seiner Wahl ein Leckerchen. Es liegen zwei Kochlöffel bereit für diejenigen, welche den Hund nicht aus der Hand füttern möchten. Vorstellungsrunde: Da ich heute zu Besuch bin, machen wir eine kurze Vorstellungsrunde im Sitzkreis, damit die Teilnehmer mich und ich die Teilnehmer kennenlerne. Sie nennen mir ihre Namen, ihr Alter und erzählen mir, ob sie einen eigenen Hund zu Hause haben oder nicht. Nur L., ein 14-jähriges Mädchen, hat einen Hund. Ich zeige ein Foto von meiner Hündin, einem Pudel-Mischling, weil niemand weiß, wie ein Pudel aussieht.
Begrüßungsspiel:
Auf einem Tisch verteilt liegen verschiedene Beutel, in diesen befinden sich unterschiedliche Leckerlis für die Hunde (z.B. getrocknete Kaninchenohren, Hähnchenherzen, Pansen, Rindfleisch,
Hühnchen usw.). Jedes Kind sucht sich der Reihe nach einen Hund und zwei Beutel aus. Die Beutel werden am anderen Ende des Raumes an verschiedenen Orten abgelegt; z.B. unter einen Stuhl oder hinter
einen Schrank. (Die Verstecke werden ausgewählt unter der Berücksichtigung der Möglichkeiten und Größe des Hundes, bei der Entscheidung helfen die Therapeutinnen; die Kinder müssen bei dem Spiel viel
Geduld haben, denn es kann immer nur ein Kind mit dem Hund arbeiten!) Der Hund wird (evtl. mit Hilfe) abgeleint und mit dem Kommando „Such“ vom Kind geschickt, ein Säckchen zu holen. ( Der Hund sucht
sich den Beutel selbst aus!) Das jeweilige Kind wird von der Therapeutin angeregt, den Hund direkt anzusprechen, klar und
deutlich zu reden, gerade (mit Körperspannung) zu stehen und deutlich in die Richtung des abgelegten Gegenstandes zu zeigen. (Sprach-Bewegungskoordination werden geübt, das Selbstbewusstsein wird
gefördert). Der Hund bringt den Beutel, gibt ihn ab an das Kind oder die Hundeführerin; ein Leckerchen wird herausgenommen, gezeigt, es wird daran gerochen und genauestens befühlt. Die Kinder lernen
hierbei mit allen Sinnen. (Übung für Feinmotorik – Öffnen des Säckchens, ableinen/anleinen!) Alle im Kreis bekommen eins, um herauszufinden, was es ist. Nach Auflösung des Rätsels bekommt der Hund
ein Stück Leckerei vom Kind, wird zu seinem Platz gerufen und dort angeleint (evtl. mit Hilfe). Hierbei kommen sowohl „Erdmann“, „Bam-Bam“ als auch „Luna“ nacheinander zum Einsatz. Ein Spiel zur
Förderung des Beziehungsaufbaus und zum Abbau von Ängsten, zur Sinnesanregung und Wissensübermittlung.
Wissensspiel/Körperteile des Hundes:
Auf einem Tisch liegen kleine Karten mit unterschiedlichen Körperteilen des Menschen. Alle zusammen gehen zum Tisch und suchen sich ein Kärtchen aus, wir setzen uns wieder hin. Der Reihe nach
zeigt jeder seine Karte, benennt das Körperteil, zeigt es am eigenen Körper und dann bei einem „Wunschhund“.
(Förderung der haptischen Wahrnehmung durch Ertasten des Körperteiles beim Hund, Empathieförderung – wie empfindet der Hund die Berührung?, Zulassen von Nähe durch die Berührungen, Wissenserweiterung
über die Anatomie des Hundes anhand des Tafelbildes und des Anschauungsobjektes „Hund“). Anschließend geht das Kind zum Tafelbild und klebt die Karte dort an die richtige Stelle des Hundebildes.
(Kognitive Fähigkeiten werden geübt). Dann wird gemeinsam überlegt, was der Hund mit diesem Teil des Körpers machen könnte – oder was das Kind damit machen könnte. Es wird immer genug Zeit gelassen,
eigene Ideen zu äußern, dann erst kommen Vorschläge der Therapeutinnen.
Beispiele:
1.) Hand – der Hund könnte auf Kommando winken
2.) Bauch – man könnte den Hund bürsten; oder er macht „Platz“; oder, was L. nun macht: sie holt „Luna“, die ein Bauchgeschirr trägt und führt sie einmal durch den Raum (förderlich für die Koordination, für´s Verantwortungsbewusstsein und für die Raumorientierung)
3.) Nase – wozu brauchen wir eine Nase und was macht der Hund mit seiner Nase? Der Wunschhund riecht an einem Leckerchen-Säckchen, es wird versteckt und er muss es aufspüren.
4.) Augen – ein Hund wird geholt, macht „Platz“, ein Leckerchen wird auf sein Bein gelegt, er darf es erst nehmen, wenn er das Kind angeschaut hat und die Erlaubnis („Nimm“) zum Fressen bekommen hat. Wichtig: klare Ansage, Augenkontakt zum Hund halten, Erlaubnis geben mit Sprache und Körper.
Die Ängste der Kinder werden immer berücksichtigt, es wird so viel und so nah mit dem Hund gearbeitet, wie es dem jeweiligen Kind möglich ist. Es werden Alternativen angeboten und so viel
Hilfe und Unterstützung wie nötig gegeben. Die Fähigkeiten der Kinder und Hunde werden berücksichtigt und danach wird gehandelt.
Bis auf einen Jungen sind alle Kinder sehr ruhig, bleiben auf ihren Plätzen, reden nur, wenn sie gefragt werden oder an der Reihe sind und sie hören aufmerksam zu. Es herrscht eine entspannte
Atmosphäre.
M. bewegt sich häufig durch den Raum, ist unruhig und achtet nicht auf das, was gerade passiert. Die Therapeutinnen holen ihn immer wieder zurück und bieten ihm Alternativen an, z.B. sitzt er neben
einem Hund und streichelt ihn ausgiebig (entspannungsfördernd) oder er wird gebeten, die Dinge, welche nicht mehr benötigt werden, schon mal in einen Beutel zu räumen (was er auch gerne annimmt).
Aktionsspiel:
Um aus dem Sitzen in die Bewegung zu kommen, dürfen die Kinder nun Vorschläge machen, aus dem schon Erlernten mit einem Hund in die Aktion zu kommen. N. zum Beispiel führt „Luna“ mit der
Hundeführerin zusammen in einen anderen Raum außer Sichtweite, lässt sie dort verbindlich sitzen und ruft sie vom alten Standpunkt aus zu sich. Auf Anraten von Frau Schmitz-Philipp steht er ganz
gerade und hält die Hände vor seinen Körper. „Luna“ ist ein großer Bobtail-Berner Sennenhund-Mix und rennt ziemlich schnell auf N. zu. Dieser steht sehr ruhig da ( die Therapeutin neben ihm) und ist
sehr stolz und lächelt. Später erfahre ich, dass er zu Beginn große Angst vor Hunden hatte und sehr still war. Ich erlebe ihn heute als fröhliches, selbstbewusstes Kind, er macht immer als einer der
ersten einen Vorschlag und ist sofort dabei. F. möchte einen Hund durch seine gegrätschten Beine laufen lassen, auch er sucht sich die größte von allen aus. Mit Blick auf den Hund steht er da und
Frau Schmitz-Philipp ruft ihren Hund hinter ihm stehend ab. Auch F. ist sehr stolz auf sich, dass er sich das traut, auch er war ein Angstkind!
Immer wieder gibt es positive Verstärkung der Therapeutinnen: „ Das hast du toll gemacht!“ „Danke, dass du so gut aufgepasst hast.“ „Das war sehr mutig von dir!“
Zwischendurch lerne ich den „Engel“ kennen, d.h. ein Junge legt sich auf dem Bauch auf eine Matte und Frau Taut führt „Bam-Bam“ per Handzeichen ganz nah um den Körper herum. Dann lässt sie
„Bam-Bam“ mit der vorderen Körperhälfte auf M. im „Platz“ abliegen. Dieser bewegt sich nicht. Das erfordert viel Mut und Vertrauen.
Mutproben:
Wer mag, kann jetzt verschiedene Mutproben bestehen; ich werde auch dazu eingeladen und L. demonstriert mir eine davon: Sie sucht sich ein Kind als Helfer und einen Wunschhund aus, dann legt sie sich mit dem Rücken auf die Matte und das Kind legt ein paar Leckerchen dahin, wo sie sie gerne hätte. (Schulter, Bauch, Stirn). Auf das Signal „Such“ des Helfers nimmt der Hund nun vorsichtig die Leckerlis von den Körperteilen. Danach bin ich an der Reihe. Auch ich suche mir einen Helfer aus und einen Hund. Die Leckerchen werden bei mir auf Bein, Schulter und Stirn gelegt. Es ist schon ein seltsames Gefühl, sich von einem fremden Hund ein Leckerchen von der Stirn nehmen zu lassen. Auch für den Hund ist es keine einfache Übung. Zwei Kinder bilden nun mit ihren Armen einen Reifen, wodurch der Hund springen muss und diejenigen, die möchten, absolvieren Mutproben im Sitzen. (D.h. ein Leckerchen wird auf ein Bein oder neben das Bein auf den Stuhl gelegt und der Hund holt es sich da ab.)
Abschlussspiel:
Als Abschlussspiel gibt es einige kniffelige Dinge für die Hunde zu tun. Aus selbstgemachten Spielen, welche das jeweilige Kind aussucht, sollen die Hunde versuchen, die Leckerchen
herauszubekommen.
Z.B muss bei einem alten Holzbrotkasten der Deckel mit der Schnauze hochgeschoben werden, aus einem Plastikrohr muss ein Tuch herausgezogen werden, damit die Leckerchen herausfallen, eine Dose wurde
durch eine Schiebevorrichtung geteilt und diese muss an einem Band herausgezogen werden, auf einen Metallstab (die Enden sind mit Korkscheiben versehen) wurde ein Trinkjoghurtbecher gesteckt, in
diesen werden Leckerchen gelegt, und zwar so viele, dass der Becher nicht mehr kippt, der Hund muss den Becher nun drehen, bis er sich zur Seite neigt. Auch jetzt bekommen die Kinder Vorschläge, aber
sie dürfen selbst auswählen, welches Spiel und welchen Hund sie möchten. Bei diesen Spielen wird viel gelacht und die Teilnehmer sind sehr konzentriert; die Kinder müssen hierbei den Hunden evtl.
helfen, wenn es nicht auf Anhieb klappt und zeigen, wie der Hund an seine Belohnung gelangen kann.
Abholphase:
Im Vorraum warten schon die Mütter, um die Kinder abzuholen, alle verabschieden sich und die Einheit ist beendet.
Reflexion:
Viele Spiele, die ich heute gesehen habe, waren förderlich: – für die Teamfähigkeit/Teamarbeit und Kooperation untereinander – für die Sprach- und Bewegungskoordination (Kommando und Handzeichen gleichzeitig) – für´s Durchsetzungsvermögen (manchmal musste etwas wiederholt werden), – für die Körperwahrnehmung (wie stehe ich, wie bewege ich mich?) – für das Lernen mit allen Sinnen (riechen, schmecken, fühlen, hinschauen) – für das Selbstbewusstsein und das Vertrauen – für die Konzentration – für das respektvolle Verhalten gegenüber Hunden und Menschen – für die Berücksichtigung von Grenzen und Regeln – für die Wissenserweiterung und - vertiefung über Hunde Aufräumphase/ Reflexion mit dem Dog´s Touch-Team: Ich helfe Frau Taut und Frau Schmitz-Philipp beim Aufräumen. Wir machen eine kleine Reflexionsrunde, ich erzähle, was ich gesehen, erlebt und gespürt habe und Fragen, die bei mir aufgetaucht sind, werden sofort von Frau Taut und Frau Schmitz-Philipp beantwortet. Interessant für mich war auch heute, zu erleben, wie es ist in einem Team mit verschiedenen Hunden zu arbeiten. Die Kinder fühlen sich mal zu dem einen, mal zu dem anderen Hund mehr hingezogen, die Teamleitung ergänzt sich und hat immer alles gut im Blick und kann, meiner Meinung nach, individueller arbeiten als alleine. Zu den Kindern bekomme ich noch einige genauere Informationen, dann verabschieden wir uns voneinander.