Hospitationsbericht von Isabelle Philippson
Hospitation am 11.02.2015
Besuch der GWN (Gemeinnützige Werkstätten Neuss)
Betriebsstätte an der Hammerbrücke
Einleitung:
Am 11.02.2015 begleiteten, mein Hund Lasko und ich, Frau Taut und ihren Hund Erdmann zur GWN. Da Frau Tauts zweiter Therapiehund Bam-Bam, aus gesundheitlichen Gründen, an diesem Tag zu Hause bleiben
musste, konnten Lasko und ich aktiv an diesem Einsatz teilnehmen.
Zum Konzept der GWN (entnommen von deren Internetseite):
Nicht am Rand - sondern mitten drin
Menschen mit Behinderungen ein Leben in der Mitte der Gesellschaft zu ermöglichen: Das ist das oberste Ziel der GWN. Zu einem selbstbestimmten, erfüllten Leben gehört auch eine Arbeit.
Eine sinnvolle, bezahlte Tätigkeit schafft Selbstbewusstsein. Sie gibt einem Menschen - ob behindert oder nicht behindert - das Gefühl, gebraucht zu werden. Die GWN schafft die Rahmenbedingungen
dafür, dass Menschen mit Behinderungen in die Arbeitswelt integriert werden.
In den Werkstätten und in der Gärtnerei in Neuss wird jeder Mitarbeiter seinen individuellen Fähigkeiten entsprechend angeleitet und gefördert. Rehabilitation bedeutet Wiedereingliederung in den
Alltag und Teilhabe am beruflichen Leben.
Wir treffen uns um 12:45 Uhr vor dem Gebäude der GWN. Frau Taut ist, im Gegensatz zu mir ganz entspannt und meinte ich solle schauen, ganz locker bleiben und Lasko so einsetzen wie es passt.
Ansonsten glaubt sie, dass wir, obwohl das erst die zweite Begegnung mit den neuen Teilnehmern nach dem Wechsel ist, einen entspannten Einsatz haben werden.
Wir nehmen unsere Einsatztaschen und eine Yogamatte und gehen hinein. Auf dem Weg zum Ergo – Raum begegneten uns mehre Menschen, die Frau Taut alle mit Namen kennt. Wir werden von allen freudig
begrüßt. Man kann sehen, dass sie sich freuen den Hunden zu begegnen. Ein Mitarbeiter begleitet uns dann sogar bis in den Raum „da er gerade Mittagspause habe hätte er Zeit“, dabei darf er Erdmann an
der Leine führen.
Im Raum angekommen, beschäftigt sich der junge Mann einige Zeit mit Erdmann. Er streichelt ihn und genießt das offenbar sehr. Dann schickt Frau Taut ihn sanft aber bestimmt, mit dem Hinweis auf das
Ende seiner Pausenzeit, zurück in seinen Gruppenraum.
Nun ist es noch Zeit für eine kurze Einweisung mit Erklärungen zum Ablauf. Ich erfahre, dass wir zuerst mit den Hunden in eine Gruppe gehen werden, um dort mit drei Personen zu arbeiten.
Danach werden wir in eine zweite Gruppe wechseln und dort mit einer einzelnen Klientin arbeiten. Eine weitere Klientin nehmen wir, im Anschluss daran, mit in den Ergo –Raum, wo sie ebenfalls eine
Einzeltherapie hat.
Nachdem diese zu Ende ist, wird ein junger Mann zu uns in den Raum gebracht, mit dem eine weitere Einzelarbeit stattfindet. Zum Schluss des Nachmittags arbeiten wir noch mit einer, aus acht Personen
(einer fehlt an dem Tag) bestehenden, Gruppe. Für diese Therapieeinheit gibt es einen separaten Ablaufplan, der einen eigenständigen Teilbereich für Lasko und mich enthält.
Die Hunde dürfen nochmal etwas trinken und schon geht es los.
Gruppenphase 1: Kleingruppe
Im ersten Gruppenraum, indem schwerstmehrfachbehinderte Menschen betreut werden, kommt uns die Gruppenleiterin Frau B. schon erwartungsvoll entgegen. Nach einer kurzen Absprache wer heute Therapie
bekommen soll, wird eine Decke auf einem Tisch ausgebreitet und Frau Taut lässt Erdmann auf diese springen. Eine Dame wird mit ihrem Rollstuhl an den Tisch geschoben, um Kontakt zum Hund aufnehmen zu
können. Die Klientin zeigt heute deutlich durch lautieren und Gestik, dass sie keinen Kontakt zum Hund haben möchte, worauf die Einheit bei ihr abgebrochen wird.
Derweil hat Lasko unter einem Tisch einen Tennisball gefunden und will damit spielen. Ich nutzte die Gelegenheit, breite meine Decke auf einem Tisch aus, lass ihn hochspringen und sich ablegen. Ein
junger Mann, Herr M., wird näher heran geschoben, um mit Lasko zu arbeiten. Eine Betreuerin sagte mir, dass er anfänglich immer sehr schüchtern ist, aber sich mit der Zeit gut einlassen kann. Da er
an einer Tetraspastik leidet, fragte ich, ob ich ihn berühren darf, um ihn beim Streicheln und Ballspielen sowie beim Füttern mit Leckerchen zu unterstützen. Das ist in Ordnung. Es ist fantastisch zu
sehen wie sich die Muskulatur, nach und nach, ein wenig löst und er sogar in der Lage ist, den Ball mit der rechten Hand selbstständig von mir entgegen zu nehmen, um ihn sich dann von Lasko aus der
Hand nehmen zu lassen. Dabei strahlt er über das ganze Gesicht. Als ich ihm ein Leckerchen hinhalte, kann er auch dieses alleine festhalten und Lasko nimmt es vorsichtig aus seinen Fingern. Seine
linke Hand führe ich zu Laskos Rücken, so dass er, mit meiner Unterstützung, sein Fell streicheln kann, was ihm offensichtlich großen Spaß macht. Da er mit der linken Hand kein Leckerchen halten
kann, lege ich eins in meine Hand dann seine Hand auf meine, so dass Lasko das Leckerchen zwischen seinen Fingern suchen muss. Diese Übung möchte Herr M. dann gerne mehrmals
wiederholen.
Frau Taut hat in der Zwischenzeit ein Kissen auf den Schoß einer weiteren Klientin gelegt und Erdmann darauf gehoben. Die Teilnehmerin sitzt in einem Rollstuhl und wird durch eine Trachealkanüle
(Schlauch in der Luftröhre) beatmet. Man kann auf ihrem Gesicht ablesen wie viel Freude ihr der Kontakt mit dem Hund bereitet.
Gegen Ende der Sitzung geht Frau Taut noch zu einer weiteren Mitarbeiterin der Gruppe, die sich bisher eher zurückhaltend gegenüber den Hunden gezeigt hat. Heute jedoch ist sie mehr als
aufgeschlossen und genießt den Kontakt zu Erdmann. Damit versetzt sie alle in Erstaunen.
Einzelarbeiten: Einzeleinsatz 1
In der nächsten Einheit arbeiten wir mit Frau U. Sie leidet unter Trisomie 21 und hat autistische Züge. Da Frau U. den Gruppenraum nicht verlässt, findet dieser Einsatz dort statt. Ein Ziel der
Tiergestützten Therapie ist es, dass sie irgendwann einmal mit den Hunden mitgeht. Wir finden sie am Fenster stehend und von einem Bein auf das andere tretend. Ihre Hände und Arme sind voller
Dinge. Ein Stofftier und mehrere verschieden große Schnipsel Papier und unaufgeblasene Luftballons. Frau Taut hatte mir erzählt, dass Frau U. bis dato nie auf Erdmann reagiert hat sondern nur auf
Bam-Bam. Sie hat nun die Vermutung, dass sie auch heute eher auf Lasko reagieren wird. Zu unser beider Überraschung sieht es aber so aus als ob sie heute beide Hunde wahrnimmt. Frau Taut gibt ihr ein
Leckerchen in die Hand und sie lässt es auf den Boden fallen wo Erdmann es ruck zuck frisst. Lasko hat keine Chance. Erst als Frau Taut Erdmann zu sich ruft, bekommt auch Lasko mal eins ab. Dann
führen wir Frau U. zu einem Sofa und Frau Taut gibt ihr einen Softball in die Hand, den sie begeistert wirft. Lasko holt den Ball und bringt ihn zurück. Da er normalerweise nicht sehr
apportierfreudig ist, bin ich richtig stolz auf meinen Hund. Das Ballspiel machen Frau Taut und ich dann abwechselnd mit beiden Hunden. Sie lässt Erdmann neben Frau U. auf das Sofa springen und ist
ganz begeistert, dass diese sich zu ihm umdreht und ihn offensichtlich registrierte.
Frau U. hat augenscheinlich jede Menge Spaß an dem Spiel und ist sogar bereit einige Sachen abzulegen, um die Leckerchen besser nehmen und den Ball besser werfen zu können. Auch diese Einheit dauerte insgesamt 15 Minuten.
Einzeleinsatz 2
Nach der Einheit mit Frau U. nehmen wir Frau S. mit. Diese erhält dann von Frau Taut ihre Einzelsitzung mit Erdmann im Ergo - Raum. Er wird gestreichelt, gebürstet und mit Leckerchen gefüttert. Da
Frau S. an einer Spastik der oberen Extremitäten leidet ist das durch Frau Taut unterstützte bürsten schon eine ziemliche Leistung. Frau S. spricht sehr leise aber sie kann sich während der Einheit
durchaus äußern. Was ihr jedoch schwer fällt, ist sich für einen längeren Zeitraum auf eine Sache zu konzentrieren. Frau Taut animiert sie daher des Öfteren mit der begonnenen Tätigkeit, z.B. dem
Bürsten fortzufahren. Außerdem scheint sie eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Hund zu haben, die aber nach und nach verschwindet.
Lasko brauchen wir bei dieser Einheit nicht, daher gönne ich ihm eine Pause und lasse ihn sich am anderen Ende des Raumes ablegen.
Einzeleinheit 3
Nachdem Frau S. zurück in ihre Gruppe gegangen ist, warten wir auf Herrn K.. Herr K. ist ein junger Mann mit Trisomie 21. Während einer Freizeit auf einem Bauernhof hat er sich mit dem Hofhund
angefreundet, was ihm sehr viel Freude bereitet hat. Deshalb wurde er von seinem Betreuer für die Hunde Therapie angemeldet. Die gewünschte Zielsetzung lautet: Motivation zu mehr Eigeninitiative und
Förderung der Wahrnehmung.
Frau Taut breitet für Herrn K., da dieser lieber auf dem Boden als am Tisch sitzt, ihre Yoga Matte auf dem Boden aus und legt ein paar Decken und Kissen dazu. Schließlich kommt Herr K. und Frau
Taut setzt sich mit ihm und Erdmann auf den Boden. Ich halte mich im Hintergrund und mache Fotos. Herr K. zeigt sich sehr unmotiviert und beachtete Erdmann überhaupt nicht. Er klappt seinen
Oberkörper über seine Bein (fast schon eine akrobatische Einlage) legt den Kopf auf den Boden und macht nicht mit. Frau Taut versucht mehrfach, ihn zu motivieren aber er zeigt zunächst keinerlei
Interesse. Auch Lasko, der zwischenzeitlich sein Schläfchen beendet hat und sich zur Gruppe legt, erzeugt keine Reaktion. Schließlich legt Frau Taut, Herrn K., ein Kissen auf den Rücken und lässt
Erdmann darauf springen. Plötzlich ist sein Interesse geweckt. Der körperliche Kontakt hat offensichtlich etwas in Gang gesetzt. Nun registriert er, anscheinend zum ersten Mal, den Hund und das
erzeugt Freude bei ihm.
So war es zum Ende der Einheit sogar möglich das er für Erdmann bewusst eine Hand voll Leckerchen vor sich auf die Matte legt.
Gruppenphase 2:
Den Schluss des Nachmittags bildet dann die Arbeit mit der Gruppe. Dazu haben wir einen Stuhlkreis aufgebaut und einen Platz für einen Rollstuhl gelassen.
Die Gruppe besteht heute aus 7 Personen. Frau R., Frau C., Herrn R., Herrn G., Frau J., Herrn M. und Herrn A.. Alle Teilnehmer außer Herrn M., der im Rollstuhl sitzt, können selber in den Raum
laufen. Frau R. benötigt einen Rollator.
Nachdem jeder einen Platz gefunden hat, eröffnet Frau Taut eine kurze Begrüßungsrunde, damit die Teilnehmer und ich uns einander vorstellen können. Alle stellen sich mit Namen vor und ich kann ihnen
Fragen stellen, ob sie selber schon mal einen Hund hatten oder noch haben, ob sie Hunde mögen und ob sie schon mal an dieser Gruppe teilgenommen haben.
Die Teilnehmer sind sehr aufgeschlossen und geben bereitwillig Auskunft. Währenddessen liegt Erdmann auf seiner Decke und Lasko hat sich auf dem Boden neben meinem Stuhl abgelegt. Als Erdmann
aufsteht, möchte Frau J. ihn zurück auf seinen Platz schicken. Frau Taut bittet sie zu diesem Zweck einmal aufzustehen und ihm deutlich aber freundlich seine Decke zu zeigen und ihn zu schicken. Das
klappt auch. Beim zweiten Mal wird Frau J. etwas wirsch und Erdmann reagiert mit Scheu, indem er das Kommando verweigert und Distanz zu Frau J. aufbaut (Lasko verkriecht sich hinter den Stuhl von
Herrn A., was diesem wiederum große Freude bereitet. „Kuck mal der Hund versteckt sich bei mir“ „Wie heißt der nochmal?“). Frau J. weiß nicht warum die Hunde so reagieren und Frau Taut erklärt es
ihr. Dann versucht Frau J. es erneut, jetzt wesentlich freundlicher und schon funktioniert es.
Nach der Vorstellungsrunde schlägt Frau Taut ein Spiel vor. Sie holt einen Sack mit mehreren Bürsten und Pflegeutensilien für Hunde. Nun darf der erste Teilnehmer, ohne in den Sack zu schauen, eine
Bürste herausnehmen und diese dann allen zeigen.
Frau Taut fragt ihn ob er weiß für welchen der beiden Hunde diese Bürste geeignet ist und warum. Er hat eine Unterfellbürste gezogen, kennt diese aber nicht und weiß auch nicht wofür man sie
braucht. Ich versuche ihm zu helfen indem ich ihn auf die verschiedenen Felllängen der Hunde hinweise will, aber Frau Taut bremst mich aus und schlägt Herr A. vor mal die gesamte Gruppe zu
fragen ob sie weiß was das für ein Gegenstand ist, den er da hat. Gemeinsam kommt die Gruppe zu dem Ergebnis das die Bürste wohl für Lasko geeignet ist, da er langes Fell hat und die langen
Zinken für Erdmanns kurzes Fell ungeeignet sind. Nun darf Herr M. eine Bürste ziehen. Er zieht einen Kunststoffstriegel in Marienkäferform was er sehr lustig findet. Da sich die Borsten weich
anfühlen und kürzer sind, glaubt er dass diese Bürste für Erdmann ist, was die Gruppe auch bestätigt. So geht es dann reihum, bis jeder ein Pflegeutensil in der Hand hält und weiß welcher Hund damit
zu pflegen ist. Frau Taut teilte die Gruppe in zwei Hälften. Frau R., Frau C., Herr G. und Herr A. haben Bürsten für Laskos Fell gezogen und ich ziehe mich mit dieser Gruppe an das eine Ende vom
Tisch zurück während Frau Taut mit den restlichen Teilnehmern am andere Ende bleibt. Die Hunde werden auf dem Tisch abgelegt. Da Frau R. ohne Rollator nicht stehen kann, setzte ich sie auf
einen Stuhl an den Tisch. Die anderen gruppieren sich stehend um den Hund und fangen an, ihn zu bürsten. Erst einer dann zwei und dann alle gleichzeitig. Ich erklärte ihnen, dass sie den Hund immer
in Wuchsrichtung des Fells bürsten müssen. Die Haare am Schwanz, das Gesicht und die Ohren sind sehr empfindlich und dürfen nur sehr vorsichtig gekämmt werden.
Das Bürsten machte allen großen Spaß. Besonders Herr A., der die Unterfellbürste hat und damit auch etwas Unterfell herauszieht, ist sehr stolz auf sich und zeigte mir immer seine Erfolge. Ich muss
dann die Haare entfernen und er beginnt erneut. Frau Taut und ich bestärken ihn noch dadurch dass wir ihm sagen das er das so gut mache, das wir ihn gerne als „Unterfell Ausbürster“ für unsere
langfelligen Hunde gewinnen möchten. Was ihn dann noch stolzer macht. Im Anschluss an das ausgiebige Bürsten lasse ich meine Gruppe Lasko zur Belohnung noch einige Leckerchen füttern. Herr R.
gesellt sich zu uns und fragt ob er Lasko auch mal streicheln dürfe, was ich bejahe. Zum Ende der Einheit setzen wir uns nochmal alle in den Stuhlkreis. Die Teilnehmer berichten, dass ihnen die
Gruppenstunde großen Spaß gemacht hat und dass sie nun nach Hause fahren. Sie freuen sich bereits auf die nächste Woche.
Zum Abschluss räumen wir den Raum auf und reflektieren dabei über die einzelnen Einsätze.